Kaum ein deutscher Dichter ist so radikal von der Kulturszene verdrängt worden wie Werner Bergengruen. Th. W. Adorno hatte ihn persönlich angegriffen und Verse des Dichters aus dem Zusammenhang gerissen. Er sah in Bergengruens Gedichtsammlung „Die heile Welt“ nur Verlogenheit und ging bekanntlich so weit, zu behaupten, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, sei barbarisch. Zahlreiche Autoren, vor allem der aus der Bukowina stammende Paul Celan mit seiner Todesfuge, haben durch ihr lyrisches Werk Adorno widerlegt. Wir wollen hier aufzeigen, aus welch zutiefst christlichem Geist Werner Bergengruen uns auch heute in den Monaten des Krieges in der Ukraine Gottvertrauen schenken kann.
In den Jahrzehnten zwischen 1930 und 1970 waren Werner Bergengruens Werke „viel gelesene Bestseller, heute (sind sie) nur noch einer kleinen Zahl Literaturfreunden geläufig“ (Franz-Lothar Kroll). Bergengruen wurde wie Reinhold Schneider, Edzard Schaper oder Gertrud von Le Fort „Opfer jenes geistig-politischen Umbruchs der 1960er Jahre, der seinen symbolischen Ausdruck in der studentischen Protestbewegung von 1968 gefunden hat, und als dessen Ergebnis ─ unter anderem ─ die Werke der genannten Schriftsteller von der Leseliste des Publikums verschwanden.
Selbst Germanistikstudenten kennen heute Bergengruens Namen nicht mehr. Bergengruen galt nach 1968 als nicht mehr zeitgemäß, weil seine „von ungebrochener christlicher Heilsgewissheit getragene Überzeugung von der Richtigkeit der Welt“ nicht mehr in eine Zeit zu passen schien, die gegen christliche Wertbezüge und konventionellen Erzählstil zu Felde zog. Der Titel einer Gedichtauswahl Die heile Welt, der das unerschütterliche Vertrauen des Dichters auf Gottes Schöpfung ausdrückt, musste alle jene erbosen, die Literatur nach ideologischen Motiven beurteilte. Die Pauschalkritik übersah dabei, dass gerade auch Bergengruen die Abgründe menschlicher Existenz, die Paradoxa des Weltgefüges und die Zerrissenheit und Schuldbeladenheit seiner Romanfiguren klar herausstellte, dabei aber auch Leid und Schuld immer im überpersonalen Ordnungsgefüge sah.
Bergengruen war zeitlebens ein Ruheloser. „Heimat und Wanderwege haben Bergengruens Leben gleichermaßen bestimmt. Das Gefühl des Exilanten, der nicht sesshaft werden kann, lässt ihn niemals los“, schreibt seine älteste Tochter Luise Hackelsberger. 1943 notiert der Autor selbst: „Der Mensch wird ja geführt und soll sich dieser Führung getrost überlassen“. So ertrug der Dichter sein ruheloses Wandern.
Der 1892 in Riga geborene und 1964 in Baden-Baden gestorbene Werner Bergengruen hat uns elf Romane, über 200 Erzählungen und an die 500 Gedichte geschenkt. In seinen Werken zeichnete er ein Weltbild, über dem Gottes gütiges Werk steht. Tief im Baltikum verwurzelt, voll Schmerz und Wehmut, voll Sehnsucht und Liebe nach dem weiten verlorenen deutschen Nordosten wusste Bergengruen schon 1933 in seinem autobiographischen Bekenntnis zur Höhle, dass diese Heimat „versunken (sei) nicht in eine Ferne des Raumes, sondern in der Tiefe der Zeit, in der sie nicht von Länderkunde, sondern nur noch von der Geschichte und der Überlieferung ausgesucht werden kann. Aber wahrhaft gefunden wird sie doch von nichts anderem als von der liebenden, schwermütigen Erinnerung des Herzens“.
Deshalb dichtet er in antikem Versmaß:
„Nie noch sang ich ein Lied, das die Heimkehr priese.
Nie noch hab‘ ich der Heimkehr Stunde erfahren,
käme sie unversehens, mir wäre die Lippe zitternd geschlossen.“
Und doch kommt immer wieder in seinem literarischen Schaffen das Baltikum vor, am deutlichsten wohl im Tod von Reval, einer Sammlung skurriler Geschichten über den Tod, inspiriert vom Totentanz des Lübecker Meisters Bernt Notke in der Nikolai-Kirche. In der Einleitung skizziert Bergengruen die Gräber der Stadt, vor allem die monumentalen Grabmale im Dom. Die Novelle Die Feuerprobe handelt in Riga, ebenso spielen Erzählungen wie Die speltische Einfahrt, Der Strom, Die Erbschaft und viele andere in seiner baltischen Heimat, in Riga ebenso wie in Mitau an der kurländischen Aa oder in Wolmar und Wenden. Der Strom beschreibt die Düna mit Kalksteinfelsen und Stromschnellen, dem Frühlingseisgang und seine Gefahren.
In der typischen Bergengruenschen Ode Bergengruensruhe rekapituliert er sein Leben. Er tut dies in einem Gedicht, das episch ist wie die Erzählungen seines Rittmeisters, wie seine Novellen, aber eben lyrisch und poetisch, träumend vom Branntwein östlichen Lands oder bald an Päonien, sich an Tulpen und Lilien freuend, rühmend die Kochkunst seiner Heimat, sich entsinnend so mancher Forelle, so manches fetten Karpfengerichtes, goldig geräucherten Aals. Zypressen und Agaven steigen da auf, das läutende Schellen galoppierender Schlitten, die Steppe und stampfende Hufe.
„Schweifenden Mutes spielte er so und gedachte der Städte, die er vor anderen geliebt – Riga und Kiew und Rom. Er erwog die Läufe der Welt und bedachte sein Schicksal, und er rühmte zuletzt, was auch ihm je widerfuhr.“ Als Freiwilliger der deutschen Armee und der Baltischen Landwehr kam er als Oberleutnant bis Kiew. Damals war mit deutscher Hilfe die Ukraine das erste Mal selbständig.
Bergengruen zeichnete ein Weltbild, über dem Gottes gütiges Wirken steht. 1936 konvertierte der baltendeutsche Lutheraner zur katholischen Kirche. Er sah die Konversion nie als Bruch, sondern als „etwas vollkommen Organisches und Natürliches. Was im Protestantismus zu mir gesprochen hat, das ist nie etwas anderes als das namentlich im Luthertum noch immer weitgehend vorhandene Erbe der alten, ungeteilten Kirche. Aber wie hätte ich mich mit einem Bruchstück zufriedengeben sollen, wenn ich das ganze haben sollte?“ 1943 notiert er, dass er schon lange vor seiner Konversion geistig in der katholischen Welt lebte. Er sei im Grunde immer eine „anima naturaliter catholica“ gewesen.
Dies gilt von allen seinen Werken, vor allem von seinen religiösen Gedichten, die voller Bilder und liturgischer Symbole sind. Nicht nur in seinen Romanen und Novellen, gerade auch in seinen Gedichten „könnte Bergengruen den professionellen Theologen allerlei zu bedenken geben – aber die kümmern sich in der Regel nicht um Dichter und Erzähler, zu ihrem eigenen Schaden“, stellt dazu Gisbert Kranz fest.
Den Umzug der väterlichen Familie im Jahre 1902 vom zaristischen Riga ins wilhelminische Deutschland bezeichnete Bergengruen als „die schwerste Verletzung meines Lebens“. Er nannte sie „Herausreißung aus meiner natürlichen Welt“, er empfand sie als Deportation. Im Ersten Weltkrieg kämpfte Bergengruen dann als aktiver Soldat, er hatte sich freiwillig zur Kavallerie gemeldet und brachte es bis zum Oberleutnant.
Er erlebte den Krieg im Osten in der Ukraine und meldete sich 1919 zur Baltischen Landwehr, jenen „romantischen Tollköpfen“, einem Freischärlerkorps, das die von den Bolschewiken besetzte baltische Heimat befreien wollte und tatsächlich am 22. Mai 1919 Riga zurück eroberte.
Während eines zweiwöchigen Urlaubs heiratete er 1919. Die Bergengruens lebten dann nach seiner Rückkehr vom Krieg ein Nomadenleben: „Mit zwei großen Koffern, vollgepackt mit Büchern, Manuskripten und wenigen Kleidern reiste man zwischen Tilsit, Memel, Berlin und Danzig hin und her“, schreibt Luise Hackelsberger. „Nach einem längeren Aufenthalt in Berlin reiste man weiter von Verwandten zu Freunden, von Freunden zu Verwandten, das Kind während der Eisenbahnfahrten in der Hängematte von Gepäcknetz zu Gepäcknetz geknüpft: Nomaden, Emigranten, Unbehauste unterwegs.“ Erst 1927 wurde Bergengruen in Berlin sesshaft. 1936 übersiedelte er nach Solln bei München, wo das Haus, in dem er wohnte, 1942 durch eine Fliegerbombe zerstört wurde. Er wohnte dann mit seiner Familie bis 1946 in Achenkirch in Tirol in einem Jagdhaus von Freunden, ehe er 1946 bis 1958 seinen Wohnsitz in Zürich nahm. 1958 kehrte er nach Deutschland zurück und bezog ein Haus in Baden-Baden. Seine aufgegebene baltische Heimat weitete sich in dieser Zeit „zu einer heilen Welt, die verletzlich, verlierbar, doch immer wieder auffindbar ist“ (Hackelsberger).
Als eine solche Welt erscheint auch das Reval seiner Geschichten vom Tod: „Die Stadt, von welcher ihr dir erzählen will, hat eine sonderbare Sage. Nämlich von dem Domberge als von dem ersten Keim der Stadt Reval wussten die Ureinwohner des Landes von jeher zu überliefern, die Riesin Linda habe den mächtigen Kalksteinfelsen aufgerichtet als ein Grabmal für ihren Geliebten, den starken Kalew. Und so steht ein Grab am Anfang der Stadt.“ Diese Gräber beschäftigen die Phantasie des Dichters: „Der Gräber sind viele in den Kirchen und auf den Friedhöfen von Reval. Da sind merkwürdige Grabstätten und Totensteine in einer großen Fülle, kunstvolle Monumente, kostbare Epitaphe. Da liegt jene Frau, dessen Gesang das Herz eines Leipziger Studenten ergriff und die seither den Menschen der Goethezeit als Vorbild der Mignon galt; da liegt der Graf Matthias Thurn, an welchem ein großer und totenreicher Krieg sich entzündete. Da liegen allerlei fürstliche Personen, allerlei berühmte Kriegsleute; Seehelden und Weltumsegler liegen in Reval begraben“.
Trotz seiner vielen Ortswechsel sah sich Bergengruen stets geführt. Er versuchte, seinen Weg zu gehen voller Vertrauen zu dem, der seine Hände über ihm breitete. Er stellte sich dem Schicksal und der Begrenzung. „Wohin Du gehst, es fügt der Weg sich zu Wegen“, schreibt er 1948.
Schon 1943 notierte der Dichter in sein Compendium Bergengruenianum:
„Der Mensch wird ja geführt und soll sich dieser Führung getrost überlassen. So ist auch dafür gesorgt, dass der mit einem Ortswechsel zusammenfallende Abschluss einer Lebensperiode zu dem Zeitpunkt geschieht – nicht früher, aber auch nicht später, was freilich oft erst lange hernach offenbar wird –, da einerseits der Grad der Sättigung erreicht, andererseits der Gehalt der Periode und ihrer Örtlichkeit ausgeschöpft ist. Darum soll man geduldig sein, wenn ein herbeigesehnter Wechsel scheinbar allzu lange auf sich warten lässt, und fügsam, wenn ein nicht oder noch nicht gewünschter auf einen zutritt. Dass die Ortswechsel im rechten Zeitpunkt geschehen, das mag selbst von solchen gelten, die schmerzlich und erzwungen erscheinen. Es geschieht ja allemal nur das Fälliggewordene: das Fällige, nicht das Zufällige. Auch erzwungene Ortswechsel, etwa in Gestalt von Verbannung oder von unfreiwilliger Flucht werden dem Menschen gegeben, wann und weil er ihrer bedarf: damit er sie fruchtbar machen lerne oder an der unbestandenen, vielleicht unbestehbaren Probe seiner Schranken innewerde.“
Und so schließt denn auch sein Gedicht Wandlung mit der Strophe:
„Gib dich der verborgnen Hand,
die dich angerührt.
Hebe dich vom Grabenrand.
Geh! Du bist geführt.“
Weil Bergengruen stets Leid und Trauer, Schmerz und Trost in den Darstellungsrahmen seines Schaffens einbezog, ist sein Bekenntnis zur „heilen Welt“ ein ehrliches und glaubwürdiges. Im Gedicht Der Behütete heißt es:
„Ich, mit Vergänglichkeit geschlagen,
ein Spielball jedem Widerpart,
bin alle Stunden aufgetragen
dem Engel seiner Gegenwart.“
Er lässt den Engel sprechen und befehlen:
„…das Wagnis des Petrus zu wagen.
Ob dich die Wellen wie Hände tragen,
ob der Herr dir entgegenschreitet –
ich weiß es nicht, und du darfst auch nicht fragen.“
In einem Gebet bittet er:
„Gib unser keinem, Gott, um was wir flehen,
Verworrne, die getrübtes Licht beriet!
Nein, einen jeden lasse nur geschehen,
wie in der Schöpfung alles Ding geschieht.“
In drei Gedichten kommt diese Glaubenshaltung Bergengruens am deutlichsten zum Ausdruck: so in seiner Himmlischen Rechenkunst, in der er wie die Bergpredigt die Armen mit den leeren Händen preist:
„Was dem Herzen sich verwehrte,
laß es schwinden unbewegt.
Allenthalben das Entbehrte
wird dir mystisch zugelegt.
Liebt doch Gott die leeren Hände,
und der Mangel wird Gewinn.
Immerdar enthüllt das Ende
sich als strahlender Beginn.
Jeder Schmerz entlässt dich reicher.
Preise die geweihte Not.
Und aus nie geleertem Speicher
nährt dich das geheime Brot.“
Im 1944 geschriebenen Gedicht Die heile Welt ist er überzeugt:
„Wisse, wenn in Schmerzensstunden
dir das Blut vom Herzen spritzt:
Niemand kann die Welt verwunden,
nur die Schale wird geritzt.
Tief im innersten der Ringe
ruht ihr Kern getrost und heil.
Und mit jedem Schöpfungsdinge
Hast du immer an ihm teil.“
Eines der schönsten deutschen Liebesgedichte ist Zu Lehen. Gewiss ist es heute für viele altmodisch, ja unverständlich, aber es ist eine wunderbare christliche Aussage über die Liebe, die ihre letzte Erfüllung als Sakrament findet im Jenseits beim Lehensherrn Gott.
„Ich bin nicht mein, du bist nicht dein.
Keiner kann sein eigen sein.
Ich bin nicht dein, du bist nicht mein.
Keiner kann des andern sein.
Hast mich nur zu Lehn genommen,
hab zu Lehn dich überkommen.
Also mags geschehn:
Hilf mir, liebstes Lehn,
dass ich alle meine Tage
treulich dich zu Lehen trage
und dich einstmals vor der letzten Schwelle
unversehrt dem Lehnsherrn wiederstelle“.
Der Tod ist für den Christen Bergengruen kein Schrecken, ja jeder Tod hat auch sein Gelächter, wie der Dichter in der Novellensammlung Der Tod von Reval feststellt.
„Ist eigentlich ein Dichter vorstellbar, der am Phänomen des Todes ohne Liebe vorüberginge? Wer den Tod liebt, kann auch ein wenig Spiel mit ihm treiben. Man wird mir als Autor des Todes von Reval und des Rodensteinbuches schon das Recht einräumen, hier einigermaßen sachverständig zu fühlen.“
Rühmen und Lobgesang ist deshalb für Bergengruen die Konsequenz seiner Überzeugung und seines Glaubens an Gottes Schöpfung, wie im Gedicht Frage und Antwort:
„Der die Welt erfuhr,
faltig und ergraut,
Narb an Narbenspur
auf gefurchter Haut,
den die Not gehetzt,
den der Dämon trieb –
sage, was zuletzt
dir verblieb.“
„Was aus Schmerzen kam,
war Vorübergang.
Und mein Ohr vernahm
nichts als Lobgesang.“
In seinen Gedanken zum Tod schreibt Bergengruen 1945:
Der Mensch ist im Tode nicht weniger in Gottes Hand und innerhalb der Werke Gottes als im Leben.
Wie kann der fromm sein wollen, der das nicht wahrhaben möchte?
Wie kann der in die Schöpfung, wie kann der in die göttliche Weltordnung einstimmen, der eine ihrer Fundamentalursachen nicht zu lieben vermag? Wie kann, wer den Tod nicht liebt, ein Christ heißen wollen?“
Dass uns dabei auf Erden noch vieles verhüllt und verborgen ist, weiß der Dichter. Sein Leben „wars nicht minder, und so bin ich der Heimkehr gewiß.“
Rudolf Grulich
In Wien werden wir bei unserer durch die Corona-Pandemie verschobenen Wallfahrt auch die Kapuzinergruft mit den Sarkophagen der Habsburger besuchen. Der letzte Kaiser fehlt dort noch, denn er ruht immer noch in seinem Verbannungsort in Funchal, wo er 1922 starb. Die letzte Kaiserin Zita starb erst 1989. Sie konnte in Wien zur letzten Ruhe gebettet werde, auch ihr ältester Sohn, Otto von Habsburg, der bei seiner Geburt 1912 noch Thronfolger war.
Bei Triest ist am modernen Wallfahrtsort Italiens auf dem Monte Grisa ein neuer Altar errichtet worden für den Seligen Karl, der als Karl I. letzter Kaiser von Österreich war und als Karl IV. letzter König von Ungarn. Die Wallfahrtskirche hoch über Triest wurde 1945 gelobt als Dank für die Verschonung einer Zerstörung der Stadt. Obwohl Triest bis 1953 ein selbständiges Territorium war und erst dann wieder zu Italien kam, wurde der Plan eines italienischen Nationalheiligtums seit 1948 konsequent verfolgt, denn in dem geplanten Wallfahrtsort sollten alle Heiligen Italiens vereint werden. Vor über 50 Jahren wurde dort in dem zweigeschossigen neuen Betonbau die erste hl. Messe gefeiert. Dort haben auch die Europapatrone und mährischen Landespatrone Cyrill und Method einen Altar, weil beide in Rom waren und Cyrill dort begraben wurde. Nun hat auch der selige Karl einen Altar mit einem Altarbild, das ihn in österreichischer Uniform zeigt. Österreich musste seit 1915, nach dem Kriegseintritt Italiens, Triest verteidigen und wehrte in zwölf Isonzoschlachten alle Angriffe der Italiener ab. Erzherzog Karl wurde 1916 Nachfolger von Kaiser Franz Joseph und bemühte sich zusammen mit Papst Benedikt XV. um einen Frieden. Seine Bemühungen waren wegen der sturen Haltung Kaisers Wilhelms II. erfolglos. Karl verlor zwar den Krieg und seine Kronen als Kaiser und König. „Aber heute ist der neue Selige der wahre Sieger!“ Das sagte mir bei meinem letzten Besuch auf dem Monte Grisa ein alter italienischer Beter am Altar des neuen Seligen.
Wenn heute oft vom Überdruss vieler Bürger an der Politik gesprochen wird, so sollte man daran erinnern, dass die Kirche stets auch gute Politiker, Staatsmänner und Herrscher als Heilige verehrt hat. Nicht zufällig stehen gerade in unseren östlichen Nachbarstaaten heiligmäßige Herrscher am Anfang der Staatlichkeit: Der heilige Herzog Wenzel in Böhmen, König Stephan von Ungarn und seine deutsche Frau Gisela, aber auch die ungarischen Nachkommen Stephans Emmerich und Ladislaus. In der Kiewer Rus haben wir die heilige Fürstin Olga und ihren Enkel Vladimir, in Litauen den heiligen Kasimir, um nur einige Beispiele zu nennen.
Der Inbegriff des heiligen Herrschers zeigt sich besonders im Kaisertum, das die junge Kirche von der römischen Antike übernahm und christlich überhöhte. Es ist untrennbar mit Rom verbunden, das auch Kaiser des Mittelalters zu Heiligen erhob wie Heinrich II. und seine Gemahlin Kunigunde.
Als am 1. April 1922 der österreichische Kaiser Karl I. in der Verbannung auf Madeira starb, war er der letzte katholische Kaiser der Weltgeschichte. Mit der Absetzung Kaiser Haile Selassies von Äthiopien am 12. September 1974 trat der letzte christliche Kaiser überhaupt von der politischen Weltbühne ab. Auch als 1989 die Gemahlin Karls I., Kaiserin Zita, als letzte christliche Kaiserin zu Grabe getragen wurde, waren sich nur wenige Zeitgenossen dieser historischen Stunde bewusst.
Nur im außerchristlichen Kulturbereich blieben nach Haile Selassies Absetzung noch zwei Kaiser übrig: Im Iran und in Japan. Der persische König der Könige, so der Titel des persischen Schahs, verlor 1979 seine Herrschaft und seinen Titel, so dass heute der Tenno in Japan der einzige nominelle Kaiser der Erde ist. Obgleich die Beispiele der Herrscher in Iran und Japan sowie bis 1912 in China zeigen, dass es in Asien auch in nichtchristlichen Kulturen einen dem Kaiser ähnlichen Titel gab, ist der Kaisertitel in Europa seit der Übernahme des Christentums im Römischen Reich untrennbar mit christlichem Verständnis verbunden. Das gilt nach dem Ende des Weströmischen Kaisertums 476 für das Oströmische Reich ebenso wie für das wiedererstandene Weströmische Reich nach der Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahre 800 zu Rom. Seine späteren Nachfolger im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation trugen bis 1806 den Titel eines Kaisers der Römer, wie die Kaiser in Konstantinopel bis zur Eroberung ihrer Hauptstadt 1453 durch die Türken.
Der mittelalterlichen christlichen Kaiseridee lag die Idee der christlichen Weltherrschaft, des Sacrum Imperium, zugrunde, die auch nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation von der Kirche nicht aufgegeben wurde. Bis zur Liturgie-Reform der Karwoche unter Papst Pius XII. stand im Missale Romanum und im deutschen Schott-Messbuch noch in der Karfreitagsliturgie unter den Fürbitten in Klammern das Gebet für den Kaiser: „Lasset uns beten für unseren Allerchristlichsten Kaiser!“ Eine Rubrik vermerkte: „Falls der Kaiser nicht gekrönt ist, so spreche man: Für unseren erwählten Kaiser.“
Gerade in diesem liturgischen Bereich wurde das Reich, das immer das Imperium Romanum war, theologisch überhöht. „Die Liturgie der römischen Kirche wurde zur lautesten und nachdrücklichsten Verkünderin der Einheit von weltlichem und heiligem Reich, von Kirche und Staat“ (Rudolf Hernegger). So ist erklärlich, dass bei dem Beharrungsvermögen und Ewigkeitsdenken der katholischen Kirche die Gebete für Kaiser und Reich noch eineinhalb Jahrhunderte über das Ende der Reiches 1806 hinaus formal beibehalten wurden und in Österreich sogar die liturgischen Vorrechte des Römischen Kaisers auf den Österreichischen Kaiser übergingen. Die alte Formel „Respice ad Romanum benignus Imperium“ (Blicke gnädig auf das Römische Reich) wurde im Jahre 1860 durch ein Dekret der Römischen Riten-Kongregation für das Österreichische Kaiserreich durch „Respice ad Austriacum benignus Imperium“ ersetzt. Auch am Karsamstag stand am Ende des österlichen Preisgesangs des „Exultet“ noch die Bitte für den Kaiser, auf den Gott als einen devotissimum Imperatorem schauen möge. Kaiser Franz Joseph war der letzte Kaiser, der noch bei einer Papstwahl mitentschied. Da er nicht im Konklave anwesend sein konnte, hatte er 1903 den Kardinal von Krakau beauftragt, ein Veto einzulegen, falls Kardinalsstaatssekretär Mariano Rampolla gewählt werden sollte. Das geschah auch, wegen des Vetos wurde Pius X. gewählt, der letzte Papst, der heiliggesprochen wurde, ehe auch Johannes XXIII. und Johannes Paul II. zur Ehre der Altäre erhoben wurden.
Schon als Karl I., erst 34 Jahre alt, 1922 in der Verbannung auf Madeira starb, sahen viele Katholiken in ihm einen Heiligen und Märtyrer. Man sprach von seinem Golgotha und Kreuzweg. Er starb im Kreise seiner Familie, bei Kaiserin Zita und seinen sieben Kindern. Kurz vor seinem Tode sagte er. „Ich verzeihe allen meinen Feinden, allen die mich beleidigt haben, und allen, die gegen mich arbeiten.“
Schon in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts wurden erste Versuche gemacht, den Kaiser selig zu sprechen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diese Bemühungen von der Erzdiözese Wien aufgegriffen und seit 1954 wurde der Seligsprechungsprozess von der zuständigen römischen Kongregation bearbeitet. Eine eigene Gebetsliga für die Seligsprechung wurde gegründet, die jedes Jahr ein Jahrbuch über den aktuellen Stand des Seligsprechungsprozesses herausgab. Hervorgehoben wurde die Friedensbereitschaft des Kaisers mit dessen zweimaligen Friedensinitiativen im Ersten Weltkrieg.
Kaiser Karl I. lebte im Gedächtnis vieler Katholiken fort, die sich 2004 über seine Seligsprechung als eines Kaisers freuten, der Recht und Gerechtigkeit liebte, den Krieg beenden wollte, aber an den Realitäten seiner Gegenwart scheiterte. Regina von Habsburg, die Gemahlin des Kaisersohnes Otto, sagte mir bei einem langen Gespräch auf einem Sudetendeutschen Tag in Nürnberg: „Ist es nicht eine wunderbare Fügung, dass der erste König Ungarns, Stephan, und auch der letzte Monarch des Reiches der Stephanskrone, Karl IV., Heilige sind?“
Als in Rom der Seligsprechungsprozess für Kaiser Karl abgeschlossen worden war, wurde damit der „heroische Grad seiner Tugenden“ festgestellt, was besagt, dass er aus der Kraft eines übernatürlichen Glaubens lebte und deshalb Vorbild für alle Gläubigen sein kann. Er war nicht nur als Mensch ein Vorbild: Sein Glaube bestimmte auch seine politischen Zielsetzungen. Nach seinem Amtsantritt galten seine Bemühungen vor allem dem Frieden, weniger dem militärischen Erfolg und dem Sieg. Dieser Friedenswille scheiterte vor allem an der sturen Uneinsichtigkeit Kaiser Wilhelms II. und des preußischen Militärs. Das zeigte sich bei dem Treffen beider Kaiser 1917 in Bad Homburg. Der deutsche Kaiser wollte einen Sieg-Frieden und ließ Karls Friedensbemühungen scheitern, woraufhin ihm Karl prophezeite: „Wenn die Monarchen der Zentralmächte nicht imstande sind, in den nächsten Monaten den Frieden zu schließen, dann werden die Wogen der revolutionären Vorgänge alles wegschwemmen, wofür unsere Söhne heute noch kämpfen und sterben.“
Er sollte leider Recht behalten. Kaiser Karls ältester Sohn Otto von Habsburg schrieb später über diese vertane Chance: „Man hätte damals Frieden schließen können, und es wäre uns viel erspart geblieben, einschließlich des Zweiten Weltkriegs.“
Der neue Selige liegt immer noch in Funchal auf Madeira begraben, wohin er verbannt wurde. Seine Frau, eine gebürtige bourbonische Prinzessin von Parma, überlebte ihn um Jahrzehnte. Sie starb erst am 14. März 1989 in Zizers in der Schweiz im Alter von 97 Jahren. In der Todesanzeige des Verbandes der Österreicher zur Wahrung der Geschichte Österreichs wird gerühmt, dass sie „bis zuletzt im Gebet und in lebendigem Interesse Anteil am Schicksal der Völker genommen hatte, denen sie seit der Thronbesteigung Kaiser und König Karls am 21. November 1917 eine wahre Landesmutter war.“ Im Gegensatz zu Kaiser Karl wurde sie in der Kapuzinergruft beigesetzt, am 67. Todestag Kaiser Karls. Sie trug die Titel des letzten Kaisers zu Grabe, des letzten legitimen Nachfahren von Kaiser Karl dem Großen, dessen europäische Reichsidee 1918 unterging. Als Kaiserin hatte sie neben den durch Geburt erhaltenen Titeln, wie den einer Königlichen Prinzessin von Bourbon, Prinzessin von Parma etc., weitere Titel getragen, die das untergegangene Reich und die ganze vergangene Kaiserherrlichkeit widerspiegeln. Sie war „Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn, Königin von Böhmen, Dalmatien, Croatien, Slavonien, Galizien, Lodomerien, Königin von Jerusalem, Erzherzogin von Österreich, Großherzogin von Toscana und Krakau, Herzogin von Lothringen, Salzburg, Steier, Kärnten, Krain und der Bukovina, Großherzogin von Siebenbürgen, Markgräfin von Mähren, Herzogin von Ober- und Niederschlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastallan, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara; Gefürstete Gräfin von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradisca, Fürstin von Trient und Brixen, Markgräfin von Ober- und Niederlausitz und in Istrien, Gräfin von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc., Herrin von Triest, Cattaro und auf der Windischen Mark, Großwoiwodin der Woiwodschaft Serbien etc..“
Mit Recht hieß es in der Todesanzeige: „Kaiserin und Königin Zita, erfüllt von der reichischen Idee und der hohen Sendung des Erzhauses Österreich, verkörperte einen wesentlichen und bedeutsamen Teil unserer Geschichte.“
Es ist die Geschichte eines zu Ende gegangenen Jahrtausends, in der die Jahre 1918 und 1922 ebenso Meilensteine sind wie die Seligsprechung Kaisers Karls 2004.
Rudolf Grulich
Auch heuer gilt es, einiger bedeutender Gedenktage der sudetendeutschen Geschichte zu gedenken und Persönlichkeiten aus Böhmen, Mähren und Schlesien zu würdigen. Das war leider in den Gesprächskreisen des Instituts für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien bei den Tagen der offenen Tür wegen der Corona-Pandemie nicht möglich. Aber unser Mitarbeiter Rudolf Grulich hat für das erste Quartal dieses Jahres wichtige Gedenktage nachgetragen.
Eine Reihe wichtiger Ereignisse sind für das ganze Jahr 2020 von Bedeutung. Es ist heuer 600 Jahre her, dass im Jahre 1420 die Prager Artikel als Programm der Hussitischen Bewegung verfasst wurden, nachdem infolge des ersten Prager Fenstersturzes 1419 die Hussitenkriege ausbrachen.
400 Jahre sind vergangen, seitdem am 8. November 1620 das kaiserliche Heer die Aufständischen auf dem Weißen Berg bei Prag besiegte. Die ersten Jahre des sogenannten Dreißigjährigen Krieges, der böhmisch-pfälzische Krieg, brachte bis 1623 viel Unrecht und Leid, bevor 1623 zwar die Prager Friede geschlossen wurde, aber dann der niedersächsisch-dänische Krieg, der Schwedische Krieg durch die Invasion Gustav Adolfs und das Bündnis des katholischen Frankreich mit Schweden trotz der Friedensschlüsse von Lübeck 1629 und von Prag 1635 den Krieg bis 1648 verlängerten und man deshalb vom Dreißigjährigen Krieg spricht.
Auch der Troppauer Fürstenkongress ist ein Gedenken wert, als sich nach der Teplitzer Punktation und den Karlsbader Beschlüssen des Jahres 1819 im sudetenschlesischen Troppau 1820 die Häupter der Heiligen Allianz trafen.
Vor 150 Jahren wandelte Johann Steinbrener im Jahre 1870 seine Buchbinderei zu einem Verlag mit einer Druckerei um und machte seine Firma bald zur größten Gebetbuchdruckerei der Welt, die bis 1938 über 200 Millionen Gebetbücher in aller Welt verkaufte.
Als nach dem Ersten Weltkrieg die Böhmischen Länder unter Nichtbeachtung des Selbstbestimmungsrechts der Sudetendeutschen an die neugegründete Tschechoslowakei fielen, waren viele sudetendeutsche Organisationen von ihren Zentralen in Wien getrennt und mussten sich neu organisieren. So entstanden 1920 der Reichsbund der deutschen katholischen Jugend in der Tschechoslowakei und andere Verbände.
Im gleichen Jahr entstand durch Abspaltung vom Rom die Tschechoslowakische Kirche, die von der Regierung in Prag anerkannt und die bis heute auch nach dem Ende der Tschechoslowakei besteht. 1969 änderte sie den Namen in Tschechoslowakische Hussitische Kirche.
Für den Januar dieses Jahres weisen wir nachträglich noch auf einige große Persönlichkeiten unserer Volksgruppe hin.
An runden Geburtstagen Sterbetage bringen wir diese Auswahl:
Am 15. Januar jährte sich der 125. Geburtstag des Benediktiners Hugo Hantsch, der in Teplitz-Schönau 1895 geboren wurde und am 6. August 1972 in Wien starb. Er trat in das Stift Melk ein und war Dozent in Graz, wurde aber 1938 ein Jahr in das KZ Dachau verschleppt und war im Krieg Pfarrer einer kleinen Gemeinde. Seit 1946 lehrte er Geschichte an der Universität Wien und verfasste eine Reihe wertvolle Werke zur Geschichte Österreichs. Er war Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien, Vorsitzender wissenschaftlicher Gesellschaften, aber auch Obmann des Verbandes für volksdeutsche Auslandsarbeit und Träger des Sudetendeutschen Karlspreises.
Der 15. Januar ist auch der 75. Todestag des Erzählers und Lyrikers Rudolf Witzany aus Gratzen, der als 34-Jähriger 1945 an der Ostfront fiel.
Vor 50 Jahren starb am 10. Januar 1970 in Würzburg der Redemptoristenpater Augustin Reimann aus Deutsch-Wernersdorf im Braunauer Ländchen, an den sich die Gläubigen in Karlsbad, aber auch viele Landsleute aus der ganzen Volksgruppe gerne als einen begnadeten Seelsorger und Volksmissionar erinnern. Er war Provinzial seines Ordens und schrieb Bücher über den hl. Klemens Maria Hofbauer und Bischof Neumann sowie Gespräche am Krankenbett.
Am 29. Januar gedachten wir des Todes des Staatsrechtlers und Politikers Karl Giskra aus Mährisch-Trübau, wo er 1820 geboren wurde. Giskra war 1848/49 Mitglied der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche und später Abgeordneter im Mährischen Landtag in Brünn und im Wiener Reichsrat. 1866 wurde er zum Bürgermeister von Brünn gewählt, wurde aber schon ein Jahr später Minister des Inneren in Wien. In diesem Amt tat er viel für die neuen konfessionellen Gesetze und für die Trennung der politischen Verwaltung von der Justiz.
Am 6. Februar hatte das Jüdische Museum in Nidda, dessen zweiter Vorsitzender Professor Grulich ist, das Kaddisch-Gebet für Max Mannheimer aus Neutitschein gebetet und seines 100. Geburtstag gedacht. Max Mannheimer war Häftling in Auschwitz und Dachau, worüber die SdZ berichtete, als Mannheimer mit dem Karlspreis geehrt wurde.
Am 14. und 16. Februar waren die 150. Geburtstage zweier sozialdemokratischer Politiker unserer Volksgruppe.
Am 14. Februar 1870 wurde in Lemberg Ludwig Czech geboren,
am 16. Februar desselben Jahres Josef Seliger in Schönborn. Beide Landsleute wurden dieses Jahr von der Seliger-Gemeinde gebührend gewürdigt. Czech war als Rechtsanwalt in Brünn tätig und Vorsitzender der mährischen sozialdemokratischen Landespartei und seit 1920 wurde er Abgeordneter der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei im Prager Parlament. 1921 war er nach dem Tod von Josef Seliger Parteivorsitzenderund 1929 Minister für soziale Fürsorge. Der ehemalige sudetendeutsche Minister Czech starb 1941 im KZ Theresienstadt, weil er Jude war. Der Sozialdemokrat Seliger war seit 1908 Abgeordneter im Wiener Reichsrat und nach dem Ersten Weltkrieg in der Nationalversammlung in Prag. Er starb schon 1920.
Am 20. Februar war der Jahrestag für Marianne Wintersteiner, die 1920 in Mährisch-Schönberg das Licht der Welt erblickte. Sie wurde als Schriftstellerin, aber auch als Malerin bekannt.
Am 5. März war der 75. Todestag der Frauenrechtlerin und ND-Gegnerin Erna Haberzettel aus Bischofsteinitz, die 1945 im Untergrund sich selbst das Leben nahm, um nicht der Gestapo in die Hände zu fallen.
Im März standen zwei große Heilige im Mittelpunkt:
Der Südmährer Klemens Maria Hofbauer aus Tassowitz starb am 15. März 1820 in Wien. Raimund Palaczek hat ihn in der SdZ vorgestellt. Hofbauer ist Patron von Warschau und Wien und hat in Wien viele Persönlichkeiten in seinem „Hofbauerkreis“ als Seelsorger betreut. Am 17. März war es 400 Jahre her, dass der hl. Johannes Sarkander aus dem schlesischen Skotschau 1620 in Olmütz als Martyrer nach langen Folterungen starb.
Nicht vergessen sei der 125. Geburtstag von Bruno Hans Wittek aus Freudenthal (1855 – 1935). Er war Erzähler und Lyriker, der z.B. in seinem Roman Der Sturm überm Acker das Leben des Bauernbefreiers Hans Kudlich vorstellte und für sein schriftstellerisches Werk mit dem Adalbert-Stifter-Preis und dem Eichendorff-Preis geehrte wurde.
Rudolf Grulich
Kaum ein deutscher Dichter ist so radikal von der Kulturszene verdrängt worden wie Werner Bergengruen. Th. W. Adorno hatte ihn persönlich angegriffen und Verse des Dichters aus dem Zusammenhang gerissen. Er sah in Bergengruens Gedichtsammlung Die heile Welt nur Verlogenheit und ging bekanntlich so weit, zu behaupten, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, sei barbarisch. Zahlreiche Autoren haben durch ihr lyrisches Werk Adorno widerlegt. Wir wollen hier aufzeigen, aus welch zutiefst christlichem Geist Werner Bergengruen die Welt als Schöpfung Gottes annahm.
Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, erschien 1939 in Hamburg noch sein Buch Der Tod von Reval. Kuriose Geschichten aus einer alten Stadt. Damals war der Autor bereits aus der Reichsschriftkammer ausgeschlossen, als „nicht geeignet, … durch schriftstellerische Veröffentlichungen am Aufbau der deutschen Kultur mitzuarbeiten“. Zehn Jahre später wurde Der Tod von Reval in Zürich erneut aufgelegt. Damals war aber das alte Reval bereits sowjetisch. Der aus Riga stammende Bergengruen hatte dem alten Reval ein Denkmal gesetzt, ehe es die Nationalsozialisten am 23. August 1939 im Hitler-Stalin-Pakt den Moskauer Kommunisten überließen. Die Deutschen aus Reval wurden umgesiedelt, „Heim ins Reich“ geholt, der Friedhof in Ziegenkoppel, dessen Grablegen Bergengruen im Auge hatte, eingeebnet und bebaut. Jahrzehntelang kannte kaum jemand in Tallin, wie Reval nun hieß, den Dichter. Erst seit der Unabhängigkeit Estlands wurde er auch in Nordosteuropa wiederentdeckt und übersetzt. Bei uns dagegen kennen heute kaum noch Germanistikstudenten den Namen Bergengruen.
Dagegen waren in den Jahrzehnten zwischen 1930 und 1970 Werner Bergengruens Werke „vielgelesene Bestseller, heute (sind sie) nur noch einer kleinen Zahl Literaturfreunden geläufig“ (Franz-Lothar Kroll). Der Autor wurde wie Reinhold Schneider, Edzard Schaper oder Gertrud von Le Fort „Opfer jenes geistig-politischen Umbruchs der 1960er Jahre, der seinen symbolischen Ausdruck in der studentischen Protestbewegung von 1968 gefunden hat, und als dessen Ergebnis – unter anderem – die Werke der genannten Schriftsteller von der Leseliste des Publikums verschwanden“.
Bergengruen galt nach 1968 als nicht mehr zeitgemäß, weil seine „von ungebrochener christlichen Heilsgewissheit getragene Überzeugung von der Richtigkeit der Welt“ nicht mehr in eine Zeit zu passen schien, die gegen christliche Wertbezüge und konventionellen Erzählstil zu Felde zog. Der Titel einer Gedichtauswahl Die heile Welt, der das unerschütterliche Vertrauen des Dichters auf Gottes Schöpfung ausdrückte, musste alle jene erbosen, die Literatur nach ideologischen Motiven beurteilten. Die Pauschalkritik übersah dabei, dass gerade auch Bergengruen die Abgründe menschlicher Existenz, die Paradoxa des Weltgefüges und die Zerrissenheit und Schuldbeladenheit seiner Romanfiguren klar herausstellte, dabei aber auch Leid und Schuld immer im überpersonalen Ordnungsgefüge sah. Zu diesem Ordnungsgefüge gehörte für ihn auch der Tod. „Manchmal will es mir scheinen, als hätte ich den Tod allzu fleißig gerühmt“, schreibt der Dichter 1957. „Vielleicht sollte ich es jetzt beim Lobpreis des Lebens bewenden lassen. Der Tod weiß schon, wann er das Lied seines Ruhmes von unseren Lippen zu hören verlangt.“
Bergengruen war zeitlebens ein Pilger, ein Ruheloser. „Heimat und Wanderwege haben Bergengruens Leben gleichermaßen bestimmt. Das Gefühl des Exilanten, der nicht seßhaft werden kann, läßt ihn niemals los“, schreibt seine älteste Tochter N. Luise Hackelsberger. 1943 notiert der Autor selbst: „Der Mensch wird ja geführt und soll sich dieser Führung getrost überlassen.“ So ertrug der Dichter sein ruheloses Wandern.
Der 1892 in Riga geborene und 1964 in Baden-Baden gestorbene Werner Bergengruen hat uns elf Romane, über 200 Erzählungen und an die 500 Gedichte geschenkt. In vier Jahrzehnten zeichnete er ein Weltbild, über dem Gottes gütiges Wirken steht. 1936 konvertierte der baltendeutsche Lutheraner zur katholischen Kirche. Er sah die Konversion nie als Bruch, sondern als „etwas vollkommen Organisches und Natürliches. Was im Protestantismus zu mir gesprochen hat, das ist nie etwas anderes als das namentlich im Luthertum noch immer weitgehend vorhandene Erbe der alten, ungeteilten Kirche. Aber wie hätte ich mich mit einem Bruchstück zufrieden geben sollen, wenn ich das ganze haben sollte?“
1943 notiert er, dass er schon lange vor seiner Konversion geistig in der katholischen Welt lebte. Er sei im Grunde immer eine „anima naturaliter catholica“ gewesen.
Dies gilt von allen seinen Werken, vor allem von seinen religiösen Gedichten, die voller Bilder und liturgischer Symbole sind. Nicht nur in seinen Romanen und Novellen, gerade auch in seinen Gedichten „könnte Bergengruen den professionellen Theologen allerlei zu bedenken geben – aber die kümmern sich in der Regel nicht um Dichter und Erzähler, zu ihrem eigenen Schaden“, stellt dazu Gisbert Kranz fest.
Den Umzug der väterlichen Familie im Jahre 1902 vom zaristischen Riga ins wilhelminische Deutschland bezeichnete Bergengruen als „die schwerste Verletzung meines Lebens“. Er nannte sie „Herausreißung aus meiner natürlichen Welt“, er empfand sie als Deportation. Im Ersten Weltkrieg kämpfte Bergengruen dann als aktiver Soldat, er hatte sich freiwillig zur Kavallerie gemeldet und brachte es bis zum Oberleutnant. Er erlebte den Krieg im Osten in der Ukraine und meldete sich 1919 zur Baltischen Landwehr, jenen „romantischen Tollköpfen“, ein Freischärlerkorps, das die baltische Heimat von den Bolschewiken befreien wollte und tatsächlich am
22. Mai 1919 Riga eroberte. Während eines zweiwöchigen Urlaubs heiratete er 1919. Die Bergengruens lebten dann nach seiner Rückkehr vom Krieg ein Nomadenleben: „Mit zwei großen Koffern, vollgepackt mit Büchern, Manuskripten und wenigen Kleidern reiste man zwischen Tilsit, Memel, Berlin und Danzig hin und her“, schreibt Luise Hackelsberger. „Nach einem längeren Aufenthalt in Berlin reiste man weiter von Verwandten zu Freunden, von Freunden zu Verwandten, das Kind während der Eisenbahnfahrten in der Hängematte von Gepäcknetz zu Gepäcknetz geknüpft: Nomaden, Emigranten, Unbehauste unterwegs.“
Erst 1927 wurde Bergengruen in Berlin sesshaft. 1936 übersiedelte er nach Solln bei München, wo das Haus, in dem er wohnte, 1942 durch eine Fliegerbombe zerstört wurde. Er wohnte dann mit seiner Familie bis 1946 in Achenkirch in Tirol in einem Jagdhaus von Freunden, ehe er 1946 bis 1958 seinen Wohnsitz in Zürich nahm. 1958 kehrte er nach Deutschland zurück und bezog ein Haus in Baden-Baden.
Seine aufgegebene baltische Heimat weitete sich in dieser Zeit „zu einer heilen Welt, die verletzlich, verlierbar, doch immer wieder auffindbar ist“ (Hackelsberger).
Als eine solche Welt erscheint auch das Reval seiner Geschichten vom Tod: „Die Stadt, von welcher ich dir erzählen will, hat eine sonderbare Sage. Nämlich von dem Domberge als von dem ersten Keim der Stadt Reval wußten die Ureinwohner des Landes von jeher zu überliefern, die Riesin Linda habe den mächtigen Kalksteinfelsen aufgerichtet als ein Grabmal für ihren Geliebten, den starken Kalew. Und so steht ein Grab am Anfang der Stadt.“ Diese Gräber beschäftigen die Phantasie des Dichters: „Der Gräber sind viele in den Kirchen und auf den Friedhöfen von Reval. Da sind merkwürdige Grabstätten und Totensteine in einer großen Fülle, kunstvolle Monumente, kostbare Epitaphe. Da liegt jene Frau, deren Gesang das Herz eines Leipziger Studenten ergriff und die seither den Menschen der Goethezeit als Vorbild der Mignon galt; da liegt der Graf Matthias Thurn, an welchem ein großer und totenreicher Krieg sich entzündete.
Da liegen allerlei fürstliche Personen, allerlei berühmte Kriegsleute; Seehelden und Weltumsegler liegen in Reval begraben“.
Trotz seiner vielen Ortswechsel sah sich Bergengruen stets geführt.
Er versuchte, seinen Weg zu gehen voller Vertrauen zu dem, der seine Hände über ihm breitete. Er stellte sich dem Schicksal und der Begrenzung. „Wohin Du gehst, es fügt der Weg sich zu Wegen“, schreibt er 1948.
1943 notierte der Dichter in sein Compendium Bergengruenianum:
„Der Mensch wird ja geführt und soll sich dieser Führung getrost überlassen. So ist auch dafür gesorgt, daß der mit einem Ortswechsel zusammenfallende Abschluß einer Lebensperiode zu dem Zeitpunkt geschieht – nicht früher, aber auch nicht später, was freilich oft erst lange hernach offenbar wird –, da einerseits der Grad der Sättigung erreicht, andererseits der Gehalt der Periode und ihrer Örtlichkeit ausgeschöpft ist. Darum soll man geduldig sein, wenn ein herbeigesehnter Wechsel scheinbar allzu lange auf sich warten läßt, und fügsam, wenn ein nicht oder noch nicht gewünschter auf einen zutritt.
Daß die Ortswechsel im rechten Zeitpunkt geschehen, das mag selbst von solchen gelten, die schmerzlich und erzwungen erscheinen. Es geschieht ja allemal nur das Fälliggewordene: das Fällige, nicht das Zufällige. Auch erzwungene Ortswechsel, etwa in Gestalt von Verbannung oder von unfreiwilliger Flucht werden dem Menschen gegeben, wann und weil er ihrer bedarf: damit er sie fruchtbar machen lerne oder an der unbestandenen, vielleicht unbestehbaren Probe seiner Schranken innewerde.“
Und so schließt denn auch sein Gedicht Wandlung mit der Strophe:
„Gib dich der verborgnen Hand,
die dich angerührt.
Hebe dich vom Grabenrand.
Geh! Du bist geführt.“
Weil Bergengruen stets Leid und Trauer, Schmerz und Trost in den Darstellungsrahmen seines Schaffens einbezog, ist sein Bekenntnis zur „heilen Welt“ ein ehrliches und glaubwürdiges.
Im Gedicht Der Behütete heißt es:
„Ich, mit Vergänglichkeit geschlagen,
ein Spielball jedem Widerpart,
bin alle Stunden aufgetragen
den Engel seiner Gegenwart.“
Er lässt den Engel sprechen und befehlen:
„…das Wagnis des Petrus zu wagen.
Ob dich die Wellen wie Hände tragen,
ob der Herr dir entgegenschreitet –
ich weiß es nicht, und du darfst auch nicht fragen.“
In einem Gebet bittet er:
„Gib unser keinem, Gott, um was wir flehen,
Verworrne, die getrübtes Licht beriet!
Nein, einen jeden lasse nur geschehen,
wie in der Schöpfung alles Ding geschieht.“
In drei Gedichten kommt diese Glaubenshaltung Bergengruens am deutlichsten zum Ausdruck: so in seiner Himmlischen Rechenkunst, in der er wie die Bergpredigt die Armen mit den leeren Händen preist:
„Was dem Herzen sich verwehrte,
laß es schwinden unbewegt.
Allenthalben das Entbehrte
wird dir mystisch zugelegt.
Liebt doch Gott die leeren Hände,
und der Mangel wird Gewinn.
Immerdar enthüllt das Ende
sich als strahlender Beginn.
Jeder Schmerz entläßt dich reicher.
Preise die geweihte Not.
Und aus nie geleertem Speicher
nährt dich das geheime Brot.“
Im 1944 geschriebenen Gedicht Die heile Welt ist er überzeugt:
„Wisse, wenn in Schmerzensstunden
dir das Blut vom Herzen spritzt:
Niemand kann die Welt verwunden,
nur die Schale wird geritzt.
Tief im innersten der Ringe
ruht ihr Kern getrost und heil.
Und mit jedem Schöpfungsdinge
Hast du immer an ihm teil.“
Eines der schönsten deutschen Liebesgedichte ist Zu Lehen. Gewiss ist es heute für viele altmodisch, ja unverständlich, aber es ist eine wunderbare christliche Aussage über die Liebe, die ihre letzte Erfüllung als Sakrament findet im Jenseits beim Lehensherrn Gott.
„Ich bin nicht mein, du bist nicht dein.
Keiner kann sein eigen sein.
Ich bin nicht dein, du bist nicht mein.
Keiner kann des andern sein.
Hast mich nur zu Lehn genommen,
hab zu Lehn dich überkommen.
Also mags geschehn:
Hilf mir, liebstes Lehn,
daß ich alle meine Tage
treulich dich zu Lehen trage
und dich einstmals vor der letzten Schwelle
unversehrt dem Lehnsherrn wiederstelle."
Obwohl Bergengruen den Verlust seiner baltischen Heimat als Kind so schmerzlich empfand, gab er sich später nie nostalgischen Illusionen hin. Emotional und intellektuell tief im Baltikum verwurzelt, voll Schmerz und Wehmut, voll Sehnsucht und Liebe nach dem weiten deutschen Nordosten wusste er schon 1933 in seinem autobiographischen Bekenntnis zur Höhle, dass diese Heimat „versunken [sei] nicht in eine Ferne des Raumes, sondern in der Tiefe der Zeit, in der sie nicht von Länderkunde, sondern nur noch von der Geschichte und der Überlieferung aufgesucht werden kann. Aber wahrhaft gefunden wird sie doch von nichts anderem als von der liebenden, schwermütigen Erinnerung des Herzens“.
Deshalb dichtet er in antikem Versmaß:
„Nie noch sang ich ein Lied, das die Heimkehr priese.
Nie noch hab ich der Heimkehr Stunde erfahren.
Käme sie unversehens, mir wäre die Lippe
zitternd geschlossen.“
Im dritten Teil dieses Gedichtes besingt er den Süden mit dem Ölbaum und stellt ihm die Birken seiner baltischen Heimat entgegen. Er sieht sein Leben verhüllt und geborgen, „und so bin ich der Heimat gewiß“. Es ist für ihn eine Heimkehr „Heim in den Anbeginn“, weil er weiß, was den Menschen Bestimmung ist:
„Zum Sterben geboren,
und steten Advent!
Nichts ist verloren,
und nichts ist getrennt.
Nichts, nichts ist vergangen,
und alles bleibt dein.
So hält dich umfangen
unendliches Sein.“
Der Tod ist für den Christen kein Schrecken, ja jeder Tod hat auch sein Gelächter, wie der Dichter in der Novellensammlung Der Tod von Reval feststellt.
„Ist eigentlich ein Dichter vorstellbar, der am Phänomen des Todes ohne Liebe vorüberginge? Wer den Tod liebt, kann auch ein wenig Spiel mit ihm treiben. Man wird mir als Autor des Todes von Reval und des Rodensteinbuches schon das Recht einräumen, hier einigermaßen sachverständig zu fühlen.“
In der typischen Bergengruenschen Ode Bergengruensruhe rekapituliert er sein Leben. Er tut dies in einem Gedicht, das den Erzählungen seines Rittmeisters gleicht, seinen Novellen, aber eben lyrisch und poetisch, träumend vom Branntwein östlichen Lands oder bald an Päonien sich, an Tulpen und Lilien freuend, rühmend die Kochkunst seiner Heimat, sich entsinnend so mancher Forelle, so manches fetten Karpfengerichtes, goldig geräucherten Aals. Zypressen und Agaven steigen auf, das läutende Schellen galoppierender Schlitten, die Steppe und stampfende Hufe.
„Schweifenden Mutes spielte er so und gedachte der Städte,
die er vor andern geliebt – Riga und Kiew und Rom.
Er erwog die Läufe der Welt und bedachte sein Schicksal,
und er rühmte zuletzt, was auch ihm je widerfuhr.“
Rühmen und Lobgesang ist deshalb für Bergengruen die Konsequenz seiner Überzeugung und seines Glaubens an Gottes Schöpfung, wie im Gedicht „Frage und Antwort“:
„Der die Welt erfuhr,
faltig und ergraut,
Narb an Narbenspur
auf gefurchter Haut,
den die Not gehetzt,
den der Dämon trieb –
sage, was zuletzt
dir verblieb.“
„Was aus Schmerzen kam,
war Vorübergang.
Und mein Ohr vernahm
nichts als Lobgesang.“
In seinen Gedanken zum Tod schreibt Bergengruen 1945: Der Mensch ist im Tode nicht weniger in Gottes Hand und innerhalb der Werke Gottes als im Leben. Wie kann der fromm sein wollen, der das nicht wahrhaben möchte? Wie kann der in die Schöpfung, wie kann der in die göttliche Weltordnung einstimmen, der eine ihrer Fundamentalursachen nicht zu lieben vermag? Wie kann, wer den Tod nicht liebt, ein Christ heißen wollen?“
Dass uns dabei auf Erden noch vieles verhüllt und verborgen ist, weiß der Dichter. Sein Leben „wars nicht minder, und so bin ich der Heimkehr gewiß.“
Rudolf Grulich
Zu ihrem Gedenktag am 30. März
Die einzige Nonne, die im Dritten Reich enthauptet wurde, war Schwester Restituta Helene Kafka aus Brünn. Da sie in Wien tätig war und hier den Tod erlitt, wurde der Seligsprechungsprozess in Wien eröffnet und abgeschlossen und die Martyrin von Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch in Wien seliggesprochen.
Hannes Gertner hat sie bereits in seinen Sammelband Geschichte der Märtyrer - verfolgt für den Glauben aufgenommen, und auch in dem Buch Nonnen unter dem Hakenkreuz, das Benedicta Maria Kempner als erste Dokumentation über das Schicksal der Nonnen im Dritten Reich herausgab, ist sie vertreten. Doch ist die selige Schwester Restituta noch wenig bekannt.
Die Selige wurde 1894 unter dem bürgerlichen Namen Helena Kafka in Husowitz bei Brünn geboren und trat als 19-Jährige in Wien in die Kongregation der Schwestern vom Dritten Orden des hl. Franziskus ein, die in der österreichische Hauptstadt nach ihrem Mutterhaus als „Hartmannsschwestern“ bekannt sind.
Im Orden erhielt sie den Namen Restituta und war in der Krankenpflege tätig, zuletzt in Mödling bei Wien. Schwester „Resoluta“ nannte man sie wegen ihrer tatkräftigen und anpackenden Art. Sie war offen und unerschrocken und hatte deshalb als echte Mährerin und bewusste Österreicherin bald Feinde unter den Nationalsozialisten, deren antichristliches Wesen sie früh durchschaute. Zwanzig Jahre hatte sie als erste Operationsschwester im Krankenhaus Mödling sachkundig ihr Können bewiesen. Im Krankenhaus arbeitete ein Arzt, der nie zum Heer eingezogen wurde, weil er „als SS-Arzt in der Heimat nach dem Rechten zu sehen hätte“. Er zeigte Schwester Restituta wegen eines Spottgedichtes auf das NS-Regime an, das sie im Lazarett von einem Soldaten erhalten hatte. Am 18. Februar 1942 wurde sie festgenommen und angeklagt, „es unternommen zu haben, während eines Krieges gegen das Reich der feindlichen Macht Vorschub zu leisten und der Kriegsmacht des Reiches einen Nachteil zuzufügen“. Das Gedicht war nun ein „hochverräterisches Unternehmen“, darauf gerichtet, „die Wehrmacht zur Erfüllung ihrer Pflichten untauglich zu machen“. In diesem Gedicht hieß es:
„Das sieht ja schon heute jedes Kind,
daß wir von den Preußen verraten sind.
Für die uralte heimische Tradition
haben sie nichts als Spott und Hohn.
Den altösterreichischen General
kommandiert ein Gefreiter von dazumal...“
„Im Namen des Deutschen Volkes“ wurde Schwester Restituta zum Tode verurteilt, obwohl sonst das Strafmaß für derartige Vergehen auf zwei Jahre bemessen war. Die Ordensoberin reichte im Namen von 700 Schwestern ein Gnadengesuch ein. Sogar der damalige Gauleiter Baldur von Schirach soll für sie eingetreten sein. Nach fünfmonatigem Warten wurde der Schwester am 10. März 1943 um
10 Uhr mitgeteilt, dass das Urteil am Abend vollstreckt werde. Als Schwester Restituta gefasst zum Richtblock ging, bat sie Gott um Verzeihung für alle, die an ihrem Tod schuldig waren. Da man ihr Ketten angelegt hatte, bat sie den Gefängnisgeistlichen; „Hochwürden, machen sie mir ein Kreuzchen auf die Stirn“, dann wurde sie um 18:21 Uhr enthauptet. Die fünf Monate Haft in der Todeszelle hatten sie gereift und geläutert. Der Gefängnispriester berichtet: „Man sah weder Angst noch Tränen bei ihr. Eher leuchtete innere Freude und Verlangen nach Ruhe und dem Frieden in Gott aus ihren Mienen und Worten.“
Ihr Zeugnis im Gefängnis für ihren Glauben war so beeindruckend, dass sich Mitgefangene bekehrten und wieder zu Gott fanden. Die erzbischöfliche Kommission in Wien, die nach dem Kriege den Seligsprechungsprozess vorbereitete, kam zu dem Ergebnis, dass der Zettel mit dem Spottgedicht eine Falle der Nationalsozialisten war, um Schwester Restituta verhaften zu lassen. Sie wurde letztlich wegen ihrer Glaubensüberzeugung und nicht aus politischen Gründen hingerichtet. Schwester Restituta hatte auch in den Krankenzimmern verbotenerweise Kreuze an den Wänden angebracht. Ein Austritt aus dem Orden, so bot man ihr an, hätte ihr Leben gerettet. Die erhaltenen Gerichtsakten zeigen, mit welcher Verdrehung von Tatsachen gearbeitet wurde und dass ihr Todesurteil lange vor der Verhandlung feststand.
Rudolf Grulich
Institut für Kirchengeschichte Böhmen-Mähren-Schlesien e.V.
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